Veröffentlicht am April 18, 2024

Angst und depressive Verstimmungen sind in der Schweiz keine Seltenheit. Doch statt pauschaler Ratschläge gibt es einen gezielten Weg: das «Bewegungs-Rezept». Dieser Ansatz nutzt spezifische Sportarten, um Ihre Gehirnchemie präzise zu regulieren, ähnlich einem Medikament. Es geht nicht darum, irgendeinen Sport zu treiben, sondern die richtige Bewegung für Ihre individuellen Symptome zu finden und so wissenschaftlich fundiert Ihre mentale Widerstandskraft zu stärken.

Als Sportpsychologe mit Praxis in Bern begegne ich täglich Menschen, die unter dem hohen Leistungsdruck der Schweizer Gesellschaft leiden. Sie fühlen sich erschöpft, getrieben von Sorgen oder einer unerklärlichen Niedergeschlagenheit. Der gut gemeinte Ratschlag, «einfach mal Sport zu treiben», klingt für viele wie Hohn. Er ignoriert die lähmende Antriebslosigkeit einer Depression oder die sozialen Hürden bei Angststörungen. Die üblichen Ansätze, mehr zu joggen oder ins Fitnessstudio zu gehen, greifen oft zu kurz, weil sie die neurobiologische und psychologische Komplexität dieser Zustände übersehen.

Doch was wäre, wenn wir Sport nicht als Hobby, sondern als präzises therapeutisches Instrument betrachten? Wenn die eigentliche Lösung nicht in der Bewegung an sich liegt, sondern in der Wahl der richtigen Bewegungsform für das richtige Symptom? Die zentrale These dieses Artikels ist, dass Sie durch ein individuell abgestimmtes «Bewegungs-Rezept» Ihre mentale Resilienz gezielt aufbauen können. Es geht darum, die neurobiologischen Mechanismen hinter Angst und Depression zu verstehen und Sportarten strategisch einzusetzen, um Hormone wie Cortisol zu senken und Glücksbotenstoffe wie Serotonin zu fördern.

Dieser Leitfaden wird Ihnen zeigen, wie Sie diesen Ansatz in der Schweiz praktisch umsetzen können. Wir werden die wissenschaftlichen Grundlagen beleuchten, symptom-spezifische Sportarten für verschiedene Angstformen analysieren und Ihnen konkrete Werkzeuge an die Hand geben, um auch in schwierigen Phasen aktiv zu bleiben. Ziel ist es, Ihnen einen Weg aufzuzeigen, der über blosse Aktivität hinausgeht und eine echte, nachhaltige Veränderung Ihrer emotionalen Stabilität bewirkt.

Um Ihnen einen klaren Überblick über diesen therapeutischen Ansatz zu geben, finden Sie nachfolgend die Struktur des Artikels. Jedes Kapitel baut auf dem vorherigen auf und führt Sie Schritt für Schritt zu Ihrem persönlichen Bewegungs-Rezept.

Warum senkt regelmässiger Sport Ihre Cortisol-Werte um 25% und hebt Serotonin an?

Um die heilsame Wirkung von Sport zu verstehen, müssen wir ihn als eine Art biochemischen Regulator betrachten. Wenn Sie unter chronischem Stress oder Angst leiden, ist Ihr Körper oft von Cortisol, dem primären Stresshormon, überflutet. Dieses Hormon ist für kurzfristige «Kampf-oder-Flucht»-Reaktionen nützlich, doch ein dauerhaft erhöhter Spiegel führt zu innerer Unruhe, Schlafstörungen und schwächt das Immunsystem. Regelmässige, moderate Bewegung wirkt hier wie ein natürlicher Puffer: Sie trainiert den Körper, effizienter mit Stressoren umzugehen und die Cortisol-Ausschüttung besser zu regulieren.

Die Wissenschaft dahinter ist faszinierend. Körperliche Aktivität veranlasst den Körper, die Cortisol-Reaktion abzuschwächen. Gleichzeitig stimuliert sie die Produktion von Neurotransmittern wie Serotonin und Dopamin, die oft als «Glückshormone» bezeichnet werden. Serotonin spielt eine entscheidende Rolle bei der Stimmungsregulation, und ein Mangel wird direkt mit depressiven Verstimmungen in Verbindung gebracht. Sport kurbelt also nicht nur die Produktion an, sondern verbessert auch die Empfindlichkeit der Rezeptoren im Gehirn. Laut aktuellen Forschungen der ETH Zürich muss Cortisol an spezifische Rezeptoren binden, um Stresssymptome auszulösen; Sport hilft, diese Kaskade zu unterbrechen.

Besonders wirksam ist Bewegung in der Natur. Eine Schweizer Studie belegte, dass die Cortisol-Werte bei Probanden nach Spaziergängen in Schweizer Wäldern messbar sanken. Die Kombination aus sanfter Bewegung und der beruhigenden alpinen Umgebung – das sogenannte «Waldbaden» oder Shinrin-yoku – hat einen doppelt positiven Effekt. Es geht also nicht nur darum, sich zu bewegen, sondern auch darum, wo man es tut. Dies ist der erste Baustein Ihres persönlichen Bewegungs-Rezepts: die bewusste Nutzung von Bewegung zur neurobiologischen Regulation.

Ihr Aktionsplan: Cortisol-Spiegel überprüfen und Fortschritte messen

  1. Punkte de contact: Kontaktieren Sie Ihren Hausarzt für eine Überweisung zu einem spezialisierten Labor in Ihrer Nähe.
  2. Collecte: Führen Sie einen Speichel-Cortisol-Test durch (typischerweise morgens nach dem Aufwachen und abends vor dem Schlafengehen), um Ihr Tagesprofil zu erstellen.
  3. Cohérence: Besprechen Sie die Ergebnisse mit Ihrem Arzt und vergleichen Sie sie mit den Referenzwerten, um eine mögliche Dysregulation im Kontext Ihrer Symptome zu erkennen.
  4. Mémorabilité/émotion: Nutzen Sie Angebote wie die des Resilienz Zentrum Schweiz, um eine begleitende Beratung zu erhalten und die Ergebnisse in einen grösseren Kontext Ihrer Lebenssituation einzuordnen.
  5. Plan d’intégration: Wiederholen Sie den Test nach 8-12 Wochen regelmässigen, moderaten Trainings, um die positiven Veränderungen objektiv zu messen und Ihre Motivation zu stärken.

Soziale Angst vs. generalisierte Angst: Teamsport oder Einzeltraining für Ihre Symptome?

Die Wahl der «richtigen» Sportart hängt entscheidend von der Art Ihrer Angst ab. Es ist ein häufiger Fehler, Menschen mit Angst pauschal zu Teamsport zu raten, um «unter Leute zu kommen». Für eine Person mit sozialer Angststörung kann genau das jedoch eine Quelle intensiven Stresses sein. Die Angst vor Bewertung, vor Fehlern oder davor, im Mittelpunkt zu stehen, kann die positiven Effekte des Sports zunichtemachen. Hier liegt der Schlüssel in einem symptom-spezifischen Training, das Sicherheit und Kontrolle in den Vordergrund stellt.

Für Menschen mit sozialer Angst sind Einzelsportarten oft der bessere Einstieg. Joggen im Wald, Schwimmen am frühen Morgen oder Krafttraining mit Kopfhörern im Fitnessstudio ermöglichen es, die biochemischen Vorteile der Bewegung zu nutzen, ohne den sozialen Stressfaktor. Eine exzellente Zwischenlösung bietet das Bouldern oder Klettern. Hier trainiert man zwar in der Gegenwart anderer, aber der Fokus liegt ganz auf der eigenen Leistung an der Wand. Es entsteht eine Art «paralleles Miteinander», das soziale Präsenz ohne erzwungene Interaktion ermöglicht und schrittweise die soziale Toleranzschwelle erhöhen kann.

Boulderhalle in der Schweiz mit Kletterern, die in verschiedenen Entfernungen klettern und Konzentration zeigen.

Im Gegensatz dazu können Menschen mit einer generalisierten Angststörung, deren Sorgen sich um verschiedenste Lebensbereiche drehen und oft zu Gedankenspiralen führen, von Teamsportarten profitieren. Der Fokus auf das Spiel, die Strategie und die Interaktion mit den Mitspielern kann eine willkommene Ablenkung von inneren Grübeleien sein. Sportarten wie Unihockey, das laut Statistiken in der Schweiz mit über 33.000 lizenzierten Spielern enorm populär ist, bieten eine klare Struktur, soziale Eingebundenheit und ein gemeinsames Ziel. Dies fördert das Gefühl der Zugehörigkeit und kann dem Gefühl der Isolation, das Angst oft begleitet, entgegenwirken.

Wie Sie beim Joggen Ihre Gedankenspiralen stoppen durch achtsame Bewegungsmeditation?

Für viele Menschen mit Angst oder Depression ist das grösste Hindernis nicht der Körper, sondern der Kopf. Die sogenannten Gedankenspiralen oder Ruminationen – das unaufhörliche Wälzen negativer Gedanken – können selbst während einer körperlichen Aktivität wie dem Joggen weiterlaufen. Anstatt den Kopf freizubekommen, wird der Lauf zur Bühne für Sorgen und Selbstkritik. Hier setzt die achtsame Bewegungsmeditation an: eine Technik, die den Fokus bewusst vom Denken auf das körperliche Erleben lenkt.

Anstatt mit Musik oder Podcasts von Ihren Gedanken zu fliehen, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit gezielt auf die physischen Empfindungen des Laufens. Konzentrieren Sie sich auf den Rhythmus Ihrer Füsse auf dem Boden. Spüren Sie, wie sich Ihre Lungen mit der kühlen Morgenluft füllen. Nehmen Sie das Geräusch Ihres Atems wahr. Jedes Mal, wenn ein Gedanke auftaucht – und das wird er –, nehmen Sie ihn kurz wahr, ohne ihn zu bewerten, und lenken Ihre Aufmerksamkeit sanft zurück zu Ihrem Körper. Dies ist kein Kampf gegen die Gedanken, sondern eine sanfte Neuausrichtung der Aufmerksamkeit. Sie trainieren Ihren «Aufmerksamkeitsmuskel» und lernen, nicht jedem Gedankenkarussell aufzuspringen.

Die vielfältige Topografie der Schweiz bietet ideale Bedingungen für diese Praxis. Statt einer monotonen Strecke können Sie gezielt Umgebungen nutzen, um Ihre Achtsamkeit zu verankern. Die berühmten Vita Parcours, die in vielen Schweizer Wäldern zu finden sind, eignen sich hervorragend als Strukturgeber. Nutzen Sie die einzelnen Posten als Ankerpunkte, um Ihre Aufmerksamkeit immer wieder neu zu bündeln und den Fokus auf die jeweilige Übung oder den Weg dorthin zu richten.

Die folgende Tabelle zeigt, wie Sie verschiedene Schweizer Landschaften als Achtsamkeits-Anker nutzen können. Diese bewusste Verbindung von Bewegung und Sinneswahrnehmung ist eine äusserst effektive Methode, um aus dem Kopf und in den Körper zu kommen. Es ist ein zentrales Element eines ganzheitlichen Bewegungs-Rezepts, das von zahlreichen Experten, einschliesslich des Resilienz Zentrum Schweiz, empfohlen wird.

Achtsame Lauftechniken in Schweizer Topografien
Topografie Achtsamkeitsfokus Beispielort Besondere Technik
Voralpen-Trail Trittsicherheit Region Appenzell Jeden Schritt bewusst setzen
Seeufer Wassergeräusche Vierwaldstättersee Rhythmus mit Wellen synchronisieren
Waldgebiet Naturgeräusche Forêt du Jorat 5-4-3-2-1 Sinnesübung
Stadtpark Umgebungskontraste Zürich Sihlwald Wechsel Stadt-Natur bewusst wahrnehmen

Wann wird Sport zur Sucht: Die 5 Zeichen, dass Sie nicht trainieren, sondern fliehen

Während Sport ein mächtiges Heilmittel ist, birgt er auch eine Schattenseite: das Risiko der Sportsucht. In einer leistungsorientierten Kultur, wie wir sie in der Schweiz pflegen, kann die Grenze zwischen gesundem Ehrgeiz und zwanghaftem Verhalten schnell verschwimmen. Sportsucht ist keine Frage der Menge, sondern der Funktion. Wenn das Training nicht mehr der Freude oder Gesundheit dient, sondern zur einzigen Strategie wird, um vor negativen Gefühlen, Stress oder innerer Leere zu fliehen, wird es problematisch. Das Training wird dann zum Selbstzweck, der andere Lebensbereiche wie soziale Kontakte oder berufliche Pflichten verdrängt.

Als Sportpsychologe achte ich auf fünf klare Warnsignale, die darauf hindeuten, dass ein Klient nicht mehr trainiert, sondern flieht:

  • Kontrollverlust: Sie trainieren länger oder intensiver als geplant und können trotz des Wunsches, es zu reduzieren, nicht aufhören.
  • Toleranzentwicklung: Sie müssen die Dosis (Trainingsumfang, Intensität) stetig steigern, um dieselbe psychische Erleichterung zu spüren.
  • Entzugserscheinungen: Wenn Sie nicht trainieren können, werden Sie unruhig, reizbar, ängstlich oder fühlen sich schuldig.
  • Sozialer Rückzug: Sie vernachlässigen Freunde, Familie oder berufliche Verpflichtungen zugunsten Ihres Trainingsplans.
  • Training trotz Verletzungen: Sie ignorieren Schmerzsignale des Körpers und trainieren weiter, selbst wenn es Ihnen schadet.

Diese Entwicklung ist besonders tückisch, da Sport gesellschaftlich positiv bewertet wird. Der hohe Leistungsdruck wird oft als Nährboden für zwanghaftes Verhalten übersehen. Wie Experten vom Resilienz Zentrum Schweiz in ihren Programmen betonen, kann «der hohe Leistungsdruck in der Schweizer Arbeits- und Freizeitkultur ein Nährboden für zwanghafte Sportausübung sein».

Der hohe Leistungsdruck in der Schweizer Arbeits- und Freizeitkultur kann ein Nährboden für zwanghafte Sportausübung sein.

– Resilienz Zentrum Schweiz, Work-In Programm Beschreibung

Wenn Sie eines oder mehrere dieser Zeichen bei sich erkennen, ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu suchen. In der Schweiz gibt es zahlreiche Anlaufstellen wie die kantonalen Suchtberatungsstellen oder spezialisierte Psychotherapeuten, die über den Hausarzt vermittelt werden können. Ein gesundes Bewegungs-Rezept beinhaltet immer auch Pausen und die Fähigkeit, auf den eigenen Körper zu hören.

Wie Sie in depressiven Phasen Ihr Training reduzieren ohne die Routine zu verlieren?

Für Menschen, die mit depressiven Verstimmungen kämpfen, ist der Ratschlag «Du musst dich nur aufraffen» oft das Schlimmste, was man hören kann. Die bleierne Müdigkeit, die Antriebslosigkeit und das Gefühl der Sinnlosigkeit machen selbst kleinste Aktivitäten zur Herkulesaufgabe. In solchen Phasen ist es kontraproduktiv, an einem starren, ambitionierten Trainingsplan festzuhalten. Das Scheitern an den eigenen Ansprüchen würde die negativen Gefühle nur verstärken. Die Lösung liegt in der radikalen Reduktion der Erwartungen und der Anwendung einer «therapeutischen Minimaldosis».

Anstatt das Training komplett ausfallen zu lassen und damit die mühsam aufgebaute Routine zu verlieren, geht es darum, die Aktivität auf ein winziges, machbares Mass zu reduzieren. Das Ziel ist nicht mehr Fitness oder Leistung, sondern einzig und allein das Aufrechterhalten der Gewohnheit. Dies kann ein 15-minütiger Spaziergang sein, fünf Minuten Dehnen auf dem Balkon oder eine kurze Velorunde zum nächsten Briefkasten. Diese «Mikro-Aktivitäten» verhindern den kompletten Stillstand und senden dem Gehirn das wichtige Signal: «Ich bin noch aktiv, ich habe mich nicht aufgegeben».

Eine Person macht einen ruhigen Spaziergang entlang der Aare in Bern, was sanfte Bewegung in schwierigen Zeiten symbolisiert.

In der Schweiz gibt es dafür wunderbare Unterstützungssysteme. Immer mehr Hausärzte verschreiben «Bewegung auf Rezept». Dabei werden Patienten an Organisationen wie die Rheumaliga Schweiz verwiesen, die sanfte, begleitete Bewegungsprogramme anbieten. Der grosse Vorteil: Viele dieser Angebote werden von den Zusatzversicherungen der Krankenkassen (wie CSS, Helsana oder Swica) anteilig oder sogar ganz übernommen. Es lohnt sich, bei Ihrer Kasse nachzufragen, welche präventiven Gesundheitsangebote unterstützt werden. Dies schafft nicht nur eine Verbindlichkeit, sondern auch ein wichtiges psychologisches Sicherheitsnetz.

Hier sind einige Beispiele für Mikro-Aktivitäten mit Schweiz-Bezug, die in einer depressiven Phase helfen können, die Routine nicht zu verlieren:

  • Ein 15-minütiger Spaziergang entlang der Aare in Bern, des Rheins in Basel oder am Genfersee.
  • Das Treppensteigen zur Kathedrale in Lausanne oder zum Grossmünster in Zürich anstelle des Lifts oder der Polybahn.
  • Eine kurze Runde Schwimmen im lokalen «Badi», auch wenn es nur für zehn Minuten ist.
  • Fünf Minuten Dehnübungen auf dem Balkon mit Blick auf die Alpen oder die Dächer der Stadt.
  • Eine kurze Velorunde zum nächsten Hofladen, um frisches Gemüse zu kaufen.

Warum hebt ein Adrenalinschub Ihre Stimmung für 48 Stunden nachweislich an?

Während wir Cortisol oft als «schlechtes» Stresshormon betrachten, hat sein Gegenstück, das Adrenalin, auch eine äusserst positive Seite. Ein kurzer, intensiver Adrenalinschub, wie er bei Abenteuersportarten oder Wettkämpfen auftritt, kann eine bemerkenswert langanhaltende, stimmungsaufhellende Wirkung haben. Dieser Effekt, oft als «After-Glow» bezeichnet, kann bis zu 48 Stunden anhalten. Doch wie funktioniert das? Adrenalin versetzt den Körper in einen Zustand höchster Alarmbereitschaft: Der Puls steigt, die Sinne sind geschärft, und der Fokus ist absolut im Hier und Jetzt. Dies unterbricht effektiv jegliche Gedankenspiralen.

Nachdem der Adrenalin-Peak abklingt, reagiert der Körper mit einer Gegenregulation: Er schüttet Endorphine aus, körpereigene Opioide, die schmerzlindernd und stark euphorisierend wirken. Dieses Gefühl von Stolz, Erleichterung und tiefer Entspannung nach einer erfolgreich gemeisterten Herausforderung ist ein mächtiges Antidepressivum. Es stärkt das Selbstwirksamkeitsgefühl – die Überzeugung, auch schwierige Situationen aus eigener Kraft meistern zu können. Für Menschen, die sich oft passiv und ihren Ängsten ausgeliefert fühlen, kann diese Erfahrung transformativ sein.

Die Schweiz als Wiege des Alpinismus ist der perfekte Ort, um diesen Effekt sicher zu erleben. Die extrem hohen Sicherheitsstandards, zertifiziert durch Organisationen wie «Safety in Adventures», sind dabei eine entscheidende psychologische Voraussetzung. Nur wenn das Vertrauen in die Ausrüstung und die Guides absolut ist, kann man sich voll auf das Erlebnis einlassen und den positiven Stress (Eustress) geniessen. Ob beim Canyoning im Tessin, beim Gleitschirmfliegen in Interlaken oder auf einer Klettersteig-Tour im Wallis – das Gefühl, eine Herausforderung in der spektakulären Schweizer Natur gemeistert zu haben, schafft eine nachhaltige positive Erinnerung, die weit über den Moment hinauswirkt.

Warum lehrt Contact Improv Empathie effektiver als jedes Kommunikationsseminar?

Über die rein biochemischen Effekte hinaus kann Bewegung auch auf einer tiefen zwischenmenschlichen Ebene heilsam sein. Eine besonders faszinierende Methode hierfür ist die Contact Improvisation (CI), eine freie Tanzform, die in den 1970er Jahren in den USA entstand. Es gibt keine festen Schritte; stattdessen entsteht die Bewegung aus dem physischen Kontakt zweier oder mehrerer Partner, die mit den Kräften der Schwerkraft, des Impulses und des Gleichgewichts spielen. CI ist eine Form der nonverbalen Kommunikation in ihrer reinsten Form.

In einem Kommunikationsseminar lernen wir, aktiv zuzuhören. In der Contact Improvisation lernen wir, mit dem ganzen Körper «zuzuhören». Man muss die Absichten, das Gewicht und die Impulse des Partners spüren und darauf reagieren. Es geht um ein ständiges Geben und Nehmen von Gewicht, um Führen und Folgen, um das Finden eines gemeinsamen Schwerpunkts. Diese Praxis schult die Empathie auf einer fundamentalen, vorsprachlichen Ebene. Man lernt, Vertrauen zu schenken und Verantwortung zu übernehmen, Grenzen zu setzen und die Grenzen des anderen zu respektieren – alles ohne ein einziges Wort.

Gerade für die tendenziell eher zurückhaltende und auf Distanz bedachte Schweizer Mentalität kann diese Form der körperlichen Begegnung eine besondere Herausforderung, aber auch ein enormes Entwicklungspotenzial bieten. Das bestätigt auch der Schweizer Tanzpädagogen-Verband. In einer Kultur, in der körperlicher Kontakt oft stark reglementiert ist, bietet CI einen sicheren Raum, um Nähe und Verbindung auf eine neue, spielerische Weise zu erfahren.

Contact Improv fordert die tendenziell eher zurückhaltende und distanzierte Schweizer Mentalität heraus und bietet gerade deshalb ein besonderes Entwicklungspotenzial.

– Schweizer Tanzpädagogen-Verband, Jahresbericht zur Tanzszene Schweiz

Für Menschen, die Schwierigkeiten haben, ihre Gefühle auszudrücken oder sich mit anderen zu verbinden, kann CI ein transformatives Werkzeug sein. In der ganzen Schweiz gibt es eine wachsende Szene mit regelmässigen Kursen und Jams in Städten wie Zürich (Tanzwerk101), Bern (Dampfzentrale) oder Genf, die oft auch für absolute Anfänger offen sind.

Das Wichtigste in Kürze

  • Sport wirkt nicht pauschal, sondern als präzises «Bewegungs-Rezept» zur neurobiologischen Regulation von Angst und Depression.
  • Die Wahl der Sportart (Einzel- vs. Teamsport) muss symptom-spezifisch auf die Art der Angst (sozial vs. generalisiert) abgestimmt sein.
  • Achtsamkeitstechniken während der Bewegung sind entscheidend, um Gedankenspiralen zu durchbrechen und die volle therapeutische Wirkung zu entfalten.

Stress abbauen durch explosive Bewegung: Warum HIIT Ihr Cortisol in 20 Minuten halbiert?

In unserer oft zeitlich durchgetakteten Welt ist der Gedanke an stundenlanges Training für viele eine zusätzliche Stressquelle. Hier kommt das Hochintensive Intervalltraining (HIIT) ins Spiel. HIIT ist eine Trainingsmethode, bei der sich sehr kurze, extrem intensive Belastungsphasen mit kurzen Erholungspausen abwechseln. Der grosse Vorteil: Es ist enorm zeiteffizient und kann eine erstaunlich schnelle und tiefgreifende Wirkung auf den Stressabbau haben.

Der Mechanismus ist paradox, aber wirksam: Durch die explosive, maximale Anstrengung wird der Körper kurzzeitig in einen extremen Stresszustand versetzt. Die Cortisol-Produktion schiesst in die Höhe. Doch weil diese Phase so kurz ist, reagiert der Körper unmittelbar danach mit einer starken Gegenregulation. Der Cortisol-Spiegel fällt nicht nur auf das Ausgangsniveau zurück, sondern oft sogar deutlich darunter. Ein 20-minütiges HIIT-Workout kann so den Cortisol-Spiegel effektiver «resetten» als eine Stunde moderates Joggen. Gleichzeitig werden massiv Endorphine ausgeschüttet, was zu einem unmittelbaren Gefühl der Entspannung und des Wohlbefindens führt.

Nahaufnahme von Sportschuhen bei einem intensiven Treppentraining in den Weinbergterrassen von Lavaux, Schweiz.

HIIT eignet sich hervorragend für Menschen mit einem vollen Terminkalender und dem Bedürfnis, angestaute Anspannung schnell und effektiv loszuwerden. Schweizer Forschungsergebnisse belegen, dass HIIT-Programme mit einer Gesamttrainingszeit von unter 20 Minuten vergleichbare Gesundheitsverbesserungen erzielen wie 150–300 Minuten moderate Aktivität pro Woche. Auch die Klinikgruppe Valens erforscht die positiven Effekte von 15-minütigen HIIT-Einheiten auf Fitness und Stresshormone. Ein typisches Workout könnte aus 60 Sekunden Sprinten (auf der Stelle, auf dem Veloergometer oder die Treppen hoch in den Weinbergen von Lavaux) gefolgt von 2-3 Minuten Pause bestehen, das Ganze 4-5 Mal wiederholt.

Wichtig ist jedoch, HIIT als «Medikament» mit Bedacht zu dosieren. Aufgrund der hohen Intensität ist es nicht für jeden Tag geeignet und erfordert eine gesunde körperliche Basis. Für Menschen, die zu Erschöpfung neigen oder an einer Sportsucht leiden, ist diese Methode weniger empfehlenswert. Für alle anderen kann es eine unglaublich befreiende Ergänzung zum persönlichen Bewegungs-Rezept sein.

Sie haben nun einen umfassenden Einblick in die wissenschaftlich fundierte Anwendung von Bewegung als therapeutisches Mittel erhalten. Der nächste Schritt besteht darin, dieses Wissen in die Tat umzusetzen und Ihr persönliches Bewegungs-Rezept zu entwickeln, das auf Ihre Bedürfnisse, Ihre Symptome und Ihre Lebensumstände in der Schweiz zugeschnitten ist. Beginnen Sie klein, seien Sie nachsichtig mit sich selbst und suchen Sie bei Bedarf professionelle Unterstützung durch Ihren Hausarzt, einen Therapeuten oder einen qualifizierten Sportpsychologen.

Geschrieben von Andrea Brunner, Andrea Brunner ist diplomierte Sportpsychologin FSP mit 12 Jahren Erfahrung in der Begleitung von Leistungssportlern und berufstätigen Menschen mit Burnout-Symptomatik. Sie leitet eine Praxis für Sportpsychologie in Basel und ist zertifizierte EMDR-Therapeutin für sportbezogene Traumata.