Veröffentlicht am März 15, 2024

Entgegen der Annahme, Sport sei nur ein Hobby, ist er das effektivste Labor zur Entwicklung von Führungskompetenzen – wenn man weiss, wie man die Erfahrungen systematisch decodiert und überträgt.

  • Mannschaftssport simuliert komplexe Management-Szenarien wie Konfliktlösung, Entscheidungsfindung unter Druck und agiles Teamwork in einem sicheren Umfeld.
  • Unterschiedliche Sportarten (z.B. Volleyball vs. Tennis) trainieren gezielt verschiedene soziale Kompetenzen, die sich direkt auf spezifische Führungsrollen abbilden lassen.

Empfehlung: Analysieren Sie Ihr nächstes Training oder Spiel nicht nach Sieg oder Niederlage, sondern identifizieren Sie eine konkrete Interaktion und übersetzen Sie diese in eine umsetzbare Strategie für Ihren Arbeitsalltag.

Als ambitionierte Führungskraft in der Schweiz stehen Sie täglich vor der Herausforderung, Teams durch komplexe Situationen zu navigieren, Motivation zu fördern und Konflikte konstruktiv zu lösen. Um diese Fähigkeiten zu schärfen, investieren Unternehmen hohe Summen in Leadership-Seminare. Doch diese vermitteln oft abstrakte Theorien, deren Transfer in den hektischen Büroalltag scheitert. Man spricht über Teamdynamik, ohne sie je wirklich zu spüren. Man analysiert Fallstudien, statt unter echtem Druck Entscheidungen zu treffen.

Was wäre, wenn das wirksamste Trainingslager für Ihre Führungskompetenzen nicht im Seminarraum, sondern auf dem lokalen Sportplatz, in der Eishalle oder auf dem Tennisplatz stattfindet? Die gängige Meinung ist, dass Sport pauschal „gut für den Teamgeist“ sei. Das ist eine grobe Vereinfachung. Der wahre Wert liegt nicht im blossen Mitmachen, sondern im systematischen Decodieren von Spielsituationen. Es geht darum zu verstehen, warum eine 2-Minuten-Strafe im Eishockey eine Lektion in Krisenmanagement ist und wieso ein Doppel im Tennis mehr über Co-Leadership lehrt als jedes Lehrbuch.

Dieser Artikel bricht mit der oberflächlichen Betrachtung von Sport. Er liefert Ihnen als Organisations- und Sportpsychologe einen strategischen Rahmen, um die Prinzipien des Mannschaftssports gezielt in messbare Führungskompetenzen zu übersetzen. Wir werden analysieren, wie spezifische Sportarten unterschiedliche soziale Fähigkeiten formen, wie Sie die Gratwanderung zwischen sportlicher Aggressivität und professioneller Durchsetzungskraft meistern und warum es nie zu spät ist, damit anzufangen. Sie lernen, das Spielfeld als Ihren persönlichsten und effektivsten Leadership-Simulator zu nutzen.

Um diese Fähigkeiten systematisch zu entwickeln, beleuchten wir in diesem Leitfaden verschiedene Facetten des Trainings. Der folgende Überblick zeigt Ihnen, wie Sie von den Prinzipien des Sports direkt in Ihrem beruflichen Kontext profitieren können.

Warum macht Mannschaftssport Sie zu einem besseren Team-Leader als jedes Seminar?

Ein Leadership-Seminar lehrt Sie Modelle. Ein Match im Mannschaftssport zwingt Sie, diese Modelle unter physischem und emotionalem Druck anzuwenden. Der entscheidende Unterschied ist die Erfahrung im „lebenden System“. Während im Seminar über Feedbackkultur referiert wird, müssen Sie auf dem Spielfeld in Sekundenbruchteilen einem Teamkollegen korrigierendes Feedback geben, ohne ihn zu demotivieren. Dies ist angewandte Psychologie in ihrer reinsten Form. Der renommierte Schweizer Handball-Nationaltrainer und Führungsexperte Arno Ehret hat seine gesamte Karriere auf dem Transfer dieser Prinzipien aufgebaut. Sein Erfolg beweist: Wer ein Team zum Sieg führen kann, versteht mehr von Motivation und Gruppendynamik als viele Theoretiker.

Der Sportverein fungiert als Mikrokosmos einer Organisation mit Zielen, Rollen, internen Konflikten und Erfolgskennzahlen. In der Schweiz ist diese Struktur tief verankert, wie eine Swiss Olympic Verbandsbefragung von 83 nationalen Verbänden im Jahr 2024 zeigt. Hier lernen Sie nicht nur, Anweisungen zu geben, sondern vor allem, wie man ein Umfeld schafft, in dem andere Bestleistungen erbringen – das Kernprinzip des „Enabling Leadership“. Im Gegensatz zur künstlichen Umgebung eines Seminars sind die Konsequenzen von Führungsfehlern im Sport sofort spürbar: ein verlorener Punkt, ein Gegentor, ein frustriertes Team. Dieser direkte Feedback-Loop ist der grösste Beschleuniger für Lernprozesse.

Der Schlüssel liegt im bewussten Transfer. Statt das Spiel einfach „passieren zu lassen“, analysieren Sie als Führungskraft die Dynamiken: Wer übernimmt die Initiative, wenn der Plan scheitert? Wie reagiert das Team auf einen Rückschlag? Wie werden neue Mitglieder integriert? Diese Beobachtungen sind kostenlose Fallstudien. So wird der wöchentliche Match zur wertvollsten und praxisnächsten Weiterbildung, die weit über das hinausgeht, was PowerPoint-Folien vermitteln können.

Wie Sie im Eishockey lernen, Konflikte in 30 Sekunden zu deeskalieren?

Konflikte im Büro eskalieren oft schleichend, befeuert durch E-Mails und stille Frustration. Im Eishockey, einem der schnellsten Mannschaftssportarten, ist für so etwas keine Zeit. Ein Konflikt muss sofort gelöst werden, sonst gefährdet er das gesamte Team. Hier bietet der Sport ein geniales, wenn auch drastisches Werkzeug zur Deeskalation: die Strafbank. Sie ist mehr als nur eine Bestrafung; sie ist ein institutionalisiertes „Cooling-down“-Verfahren. Ein Spieler, der überhitzt ist, wird physisch aus der Situation entfernt. Er hat zwei Minuten Zeit, seine Emotionen zu regulieren und mit klarem Kopf zurückzukehren. Dieses Prinzip ist direkt auf das Management übertragbar.

Eishockey-Captain vermittelt zwischen Teammitgliedern auf einer Schweizer Eisbahn

Wenn im Meeting zwei Teammitglieder aneinandergeraten, besteht die Führungsaufgabe darin, die „Strafbank“ metaphorisch zu nutzen. Statt den Konflikt vor allen eskalieren zu lassen, unterbrechen Sie die Diskussion bestimmt, aber fair. „Ein valabler Punkt von beiden Seiten. Lassen Sie uns das nachher zu zweit/dritt besprechen und hier im Thema weitermachen.“ Sie nehmen die Akteure aus dem „Spiel“, geben ihnen Raum zur Deeskalation und signalisieren gleichzeitig dem Rest des Teams, dass der Fokus gewahrt bleibt. Dies erfordert Mut zur Intervention und situatives Gespür – Fähigkeiten, die im temporeichen Umfeld des Eishockeys permanent trainiert werden. Eine aktuelle Studie zeigt, dass der Reifegrad der Agilität in Schweizer Unternehmen im Bereich Leadership noch Entwicklungspotenzial hat; genau diese schnelle, situationsadaptive Handlungsfähigkeit wird im Sport geschult.

Die Rolle des Captains im Eishockey ist dabei ein Paradebeispiel für vermittelnde Führung. Er ist der Einzige, der mit dem Schiedsrichter regelkonform diskutieren darf. Er ist Puffer, Diplomat und Sprachrohr in einem. Diese Fähigkeit, unter Druck einen kühlen Kopf zu bewahren und zwischen streitenden Parteien zu vermitteln, ist eine der wertvollsten sozialen Kompetenzen für jede Führungskraft.

Tennis oder Volleyball: Welcher Sport entwickelt welche sozialen Kompetenzen?

Die pauschale Annahme, „Mannschaftssport“ fördere soziale Kompetenzen, ist unzureichend. Als strategisch denkende Führungskraft müssen Sie präziser analysieren: Welcher Sport trainiert welche Kompetenz am besten? Es ist wie bei der Zusammenstellung eines Teams: Sie wählen Spezialisten für unterschiedliche Aufgaben. Die Wahl Ihrer Sportart kann Ihre Führungsfähigkeiten gezielt in eine bestimmte Richtung lenken.

Im Volleyball beispielsweise ist die Kernkompetenz das „Enabling“. Kein Spieler kann den Ball lange halten. Der Erfolg hängt davon ab, den Ball für den nächsten Spieler optimal vorzubereiten. Ein guter Passeur (Zuspieler) ist nicht der Star, der die Punkte macht, sondern derjenige, der den Angreifer in die Lage versetzt, zu punkten. Diese Haltung – den Erfolg anderer zu ermöglichen – ist die Essenz von „Servant Leadership“ oder „Enabling Leadership“. Im Gegensatz dazu trainiert ein Tennis-Doppel das „Co-Leadership“. Zwei gleichberechtigte Partner müssen permanent nonverbal kommunizieren, sich blind vertrauen und die Verantwortung für den Platz dynamisch aufteilen. Es gibt keine feste Hierarchie, nur eine situative Abstimmung. Das ist ein exzellentes Training für die Führung von strategischen Partnerschaften oder für die Zusammenarbeit auf C-Level.

Die folgende Tabelle zeigt eine Kompetenz-Matrix für verschiedene in der Schweiz populäre Sportarten und deren direkten Transfer auf Führungssituationen.

Vergleich der sozialen Kompetenzen und ihr Führungstransfer
Sportart Hauptkompetenz Sekundäre Kompetenzen Übertragung auf Führung
Schwingen Demut und Respekt Fairness, Tradition Faire Geschäftsverhandlungen
Volleyball Enabling Leadership Teamkoordination, Unterstützung Teammitglieder zum Erfolg befähigen
Tennis-Doppel Co-Leadership Nonverbale Kommunikation, Vertrauen Strategische Partnerschaften führen
Touchrugby Kollektive Dynamik Permanente Bewegung, Distanzregeln Selbstorganisation in Teams

Selbst eine zutiefst schweizerische Tradition wie das Schwingen bietet wertvolle Lektionen. Der Respekt vor dem Gegner und die Demut, dem Sieger das Sägemehl vom Rücken zu wischen, sind kraftvolle Rituale. Sie trainieren Fairness und Grösse in der Niederlage – eine Eigenschaft, die in harten Geschäftsverhandlungen den entscheidenden Unterschied machen kann.

Wann Sport-Aggressivität im Büro kontraproduktiv wird: Die 3 Transfer-Fallen

Der Wille zum Sieg und eine gesunde Aggressivität sind im Sport treibende Kräfte. Ein direkter und unreflektierter Transfer dieser Eigenschaften in die Unternehmenswelt ist jedoch gefährlich und kann Ihre Karriere sabotieren. Als Führungskraft müssen Sie lernen, nicht die Emotion selbst, sondern das dahinterliegende Prinzip zu übertragen. Es geht um Durchsetzungskraft, nicht um Dominanzgebaren; um Resilienz, nicht um Verbissenheit. Viele Führungskräfte tappen in die sogenannte Aggressions-Transfer-Falle, bei der sie sportliches Verhalten 1:1 auf das Büroumfeld anwenden und damit Vertrauen zerstören.

Teamdynamiken durchlaufen Phasen, und wie das Personio HR-Lexikon zum Thema Teambuilding treffend festhält, fällt Führungskräften in der konfliktgeladenen „Storming-Phase“ eine entscheidende vermittelnde Rolle zu. Hierzu heisst es:

Der Weg zur Teamfindung ist mitunter von Machtkämpfen und Unstimmigkeiten geprägt. Führungskräften fällt in der Storming-Phase die vermittelnde Rolle zu.

– Personio HR-Lexikon, Teambuilding: Ideen, Spiele & Maßnahmen

Eine sportlich-aggressive Haltung würde hier Öl ins Feuer giessen. Stattdessen sind die im Sport ebenso trainierten Fähigkeiten wie Fairness und Regelbewusstsein gefragt. Um nicht in diese Fallen zu tappen, sollten Sie die folgenden Punkte genau prüfen und eine bewusste Anpassung Ihrer Verhaltensweisen vornehmen.

Ihr Aktionsplan: Die 3 Transfer-Fallen vermeiden

  1. Kontext anerkennen: Erkennen Sie, dass Geschäftsbeziehungen kein Nullsummenspiel sind. Anders als im Sport, wo es einen klaren Sieger und Verlierer gibt, zielen Sie im Unternehmen auf Win-Win-Situationen ab, um langfristige Beziehungen zu fördern.
  2. Regeln beachten: Beachten Sie das Schweizer Arbeitsrecht, insbesondere die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gemäss Art. 328 OR. Aggressive Verhaltensweisen, Einschüchterung oder übermässiger Druck sind nicht nur unprofessionell, sondern können auch rechtliche Konsequenzen haben.
  3. Kooperation fördern: Vermeiden Sie das sporttypische „Stammesdenken“ („Wir“ gegen „die Anderen“) zwischen Abteilungen. Nutzen Sie stattdessen das in der Schweizer Politik und Wirtschaft bewährte Konkordanz-Modell als Vorbild für abteilungsübergreifende Zusammenarbeit und Konsensfindung.

Die Kunst besteht darin, die Energie und den Fokus aus dem Sport zu kanalisieren, aber die aggressive Komponente durch professionelle Assertivität zu ersetzen. Ihr Ziel ist nicht, den Gegner zu besiegen, sondern gemeinsam mit Ihrem Team die Unternehmensziele zu erreichen.

Mit 40 Jahren ins Team: Ist es zu spät, soziale Kompetenzen durch Mannschaftssport zu entwickeln?

Die Vorstellung, mit 40 oder älter noch in einen Mannschaftssport einzusteigen, mag für manche einschüchternd sein. Man fürchtet, körperlich nicht mithalten zu können oder als „Anfänger“ belächelt zu werden. Doch diese Sorge ist unbegründet und lässt die wichtigste Dimension ausser Acht: Neuroplastizität. Unser Gehirn ist ein Leben lang fähig, neue Fähigkeiten zu erlernen – das gilt für soziale Kompetenzen genauso wie für technische. Tatsächlich ist das mittlere Alter oft der ideale Zeitpunkt, um mit Sport zu beginnen, da die berufliche Erfahrung einen reichhaltigen Boden für den Transfer bietet. Sie verstehen die Metaphern des Spiels auf einer tieferen Ebene.

Der gesellschaftliche Trend in der Schweiz unterstützt diesen Schritt. Gemäss der aktuellen Sportstudie von Swiss Olympic ist die Zahl der Nichtsportler von 25% auf nur noch 16% gesunken. Sport und Bewegung werden über alle Altersgruppen hinweg immer wichtiger. Es gibt unzählige Vereine und Ligen, die sich speziell an Erwachsene, Senioren oder gemischte Altersgruppen richten und bei denen der Leistungsdruck dem Spass und der Gemeinschaft untergeordnet ist. Sportarten wie Curling, Golf, Rudern im Vierer oder Freizeit-Volleyball sind perfekt geeignet. Sie legen den Fokus weniger auf explosive Schnellkraft und mehr auf Strategie, Präzision und nonverbale Abstimmung – alles hochrelevante Führungskompetenzen.

Erwachsene Führungskräfte beim strategischen Curling-Training in einer Schweizer Halle

Gerade in Sportarten wie Curling zeigt sich der Wert von Erfahrung über reine Athletik. Die Positionierung der Steine, das Antizipieren der Züge des Gegners und die Kommunikation im Team sind rein mentale Aufgaben. Hier kann eine 45-jährige Führungskraft ihre strategische Denkweise voll ausspielen. Der Einstieg in den Sport mit 40 ist also kein Neuanfang bei Null, sondern die Chance, jahrzehntelange Lebenserfahrung auf einem neuen, spielerischen Feld anzuwenden und zu verfeinern. Es ist nie zu spät, das wertvollste Trainingslager der Welt zu betreten.

Warum macht Wellenreiten Sie zum besseren Krisenmanager im Büro?

Auf den ersten Blick scheint Wellenreiten, ein Individualsport, wenig mit Teamführung zu tun zu haben. Doch bei genauerem Hinsehen ist es eine Meisterklasse in Krisenmanagement und Resilienz. Eine Führungskraft in einer Krise muss wie ein Surfer agieren: Sie kann die „Welle“ (die Krise) nicht kontrollieren, aber sie kann lernen, sie zu lesen, ihre Energie zu nutzen und oben zu bleiben, statt unterzugehen. Diese Metapher ist mehr als eine Plattitüde; sie beschreibt einen mentalen Zustand, der im Geschäftsleben erfolgskritisch ist.

Das Training umfasst drei Phasen. Erstens, das Lesen der Wellen: Ein guter Surfer verbringt 90% seiner Zeit damit, das Meer zu beobachten, Muster zu erkennen und die richtige Welle auszuwählen. Übertragen auf das Management bedeutet das: Antizipation. In einer Krise nicht blind zu reagieren, sondern Daten zu analysieren, Signale zu deuten und den richtigen Moment für eine Intervention abzuwarten. Zweitens, die Akzeptanz des „Wipe-outs“: Jeder Surfer wird von Wellen überrollt. Das gehört dazu. Anstatt dagegen anzukämpfen und Energie zu verschwenden, lernt er, sich zu entspannen und von der Strömung wieder an die Oberfläche bringen zu lassen. Für eine Führungskraft heisst das: Rückschläge sind Teil des Prozesses. Panik ist kontraproduktiv. Resilienz bedeutet, nach einem Scheitern schnell wieder handlungsfähig zu sein. Die Fähigkeit zur Selbstführung ist hier zentral, was auch der Leadership-Kompass 2024 belegt, wonach 3 der 5 wichtigsten Führungskompetenzen in der Schweiz zum Bereich ‚People Management‘ und Selbstmanagement gehören.

Drittens, der Ritt auf der Welle: Dies erfordert ständige Mikro-Anpassungen in Balance und Ausrichtung. Eine Krise ist nie statisch. Ein guter Krisenmanager passt seine Strategie fortlaufend an neue Informationen an, bleibt flexibel und behält das Ziel (das „Ufer“) im Auge. Wellenreiten schult diese agile Reaktion auf eine unvorhersehbare Umwelt und fördert ein tiefes Vertrauen in die eigene Fähigkeit, auch in turbulenten Situationen die Kontrolle zu behalten.

Warum beschleunigt gezieltes Beobachten Ihr Lernen 5x schneller als blindes Üben?

Im Sport wie im Management gilt: blosses Wiederholen von Handlungen führt zu Stagnation. Der wahre Lernfortschritt entsteht nicht durch blindes Üben, sondern durch eine Kombination aus Tun und reflektiertem Beobachten. Spitzenathleten verbringen fast so viel Zeit mit Videoanalysen ihrer eigenen und fremder Bewegungen wie mit dem physischen Training selbst. Dieses Prinzip des „vicarious learning“ (Lernen am Modell) und des mentalen Trainings ist ein gewaltiger Hebel, den Führungskräfte oft vernachlässigen.

Detailaufnahme einer Hand, die taktische Bewegungen auf einem Spielfeld-Modell nachzeichnet

Aus der Perspektive der kognitiven Neurowissenschaften aktivieren wir beim Beobachten einer Handlung dieselben neuronalen Netzwerke, als würden wir sie selbst ausführen. Dies wird als „Embodied Cognition“ bezeichnet. Wenn Sie als Führungskraft ein Meeting nicht nur leiten, sondern sich danach die Zeit nehmen, es mental noch einmal durchzugehen („Was war der Moment, in dem die Energie kippte? Wie war meine Körpersprache, als ich den kritischen Punkt ansprach?“), führen Sie eine Art mentale Videoanalyse durch. Sie trainieren Ihr Gehirn, Muster zu erkennen und alternative Handlungsoptionen zu simulieren, ohne das Risiko eines realen Misserfolgs. Top-Athleten wie der Schweizer Skirennfahrer Marco Odermatt nutzen solche Visualisierungstechniken systematisch, um Rennverläufe im Kopf durchzuspielen.

Um diesen Lernbeschleuniger zu nutzen, implementieren Sie zwei Gewohnheiten: Erstens, „Game Tapes“ anlegen: Notieren Sie nach wichtigen Interaktionen (Verhandlungen, Konfliktgespräche, Präsentationen) stichpunktartig den Verlauf und Ihre subjektive Einschätzung. Das ist Ihr persönliches Analyse-Material. Zweitens, Mentoren beobachten: Suchen Sie sich eine erfahrene Führungskraft und beobachten Sie gezielt, wie sie Meetings moderiert oder Konflikte löst. Analysieren Sie nicht nur, WAS sie sagt, sondern WIE sie es sagt – ihre Pausen, ihre Gestik, ihre Wortwahl. Dieses gezielte Beobachten ist unendlich wertvoller als passives Zuhören und liefert konkrete Blaupausen für Ihr eigenes Verhalten.

Das Wichtigste in Kürze

  • Mannschaftssport ist ein hochwirksamer Simulator für komplexe Führungssituationen, der theoretische Seminare durch praktische Erfahrung ergänzt.
  • Die Wahl der Sportart ist strategisch: Unterschiedliche Disziplinen wie Volleyball, Tennis-Doppel oder Eishockey trainieren gezielt verschiedene soziale Kompetenzen.
  • Ein bewusster Transfer ist entscheidend: Sportliche Aggressivität muss in professionelle Durchsetzungskraft übersetzt werden, um im Unternehmenskontext wirksam und nicht schädlich zu sein.

Emotionale Kompetenzen durch Partnersport: Warum Tanzen Ihre Empathie um 50% steigert?

In einer zunehmend von Technologie und Daten getriebenen Arbeitswelt wird eine zutiefst menschliche Fähigkeit zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil für Führungskräfte: Empathie. Die Fähigkeit, die Perspektive anderer zu verstehen, ihre Bedürfnisse zu antizipieren und eine echte Verbindung aufzubauen. Während viele Sportarten Teamwork trainieren, gibt es eine Disziplin, die Empathie in ihrer reinsten Form schult: der Paartanz.

Tanzen, sei es Tango, Salsa oder Walzer, ist ein permanenter nonverbaler Dialog. Es geht um Führen und Folgen („Führen und Folgen lassen“). In der Rolle des Führenden müssen Sie Ihre Intention klar, aber subtil signalisieren. Ein zu harter Impuls führt zu Widerstand, ein zu schwacher zu Verwirrung. Sie müssen antizipieren, wie Ihr Partner auf Ihr Signal reagieren wird – das ist proaktive Empathie. In der Rolle des Folgenden müssen Sie lernen, auf kleinste Signale zu achten, dem Führenden zu vertrauen und sich auf seine Initiative einzulassen. Das trainiert die reaktive Empathie, die Fähigkeit, sich auf andere einzustellen.

Moderne Führung ist kein starrer Monolog mehr, sondern ein dynamischer Tanz. Manchmal müssen Sie die Führung übernehmen und die Richtung vorgeben (Führen), oft müssen Sie aber auch Ihren Experten im Team den Vortritt lassen und ihre Initiative unterstützen (Folgen). Paartanz schult diesen fliessenden Wechsel zwischen den Rollen. Es lehrt Sie, dass Führung keine Frage der Macht, sondern der Verbindung und des gemeinsamen Rhythmus ist. Diese physische Erfahrung von Harmonie und Abstimmung prägt sich tiefer ein als jede Theorie über emotionale Intelligenz. Der Prozentsatz im Titel ist symbolisch, doch die qualitative Steigerung der Fähigkeit, sich auf eine andere Person einzuschwingen, ist unbestreitbar.

Ihr Trainingsplan: Empathie durch Paartanz entwickeln

  1. Phase 1 – Führen lernen: Ergreifen Sie die Initiative und senden Sie klare, nonverbale Signale. Trainieren Sie, die Absicht vor der Bewegung zu kommunizieren, wie ein Tango-Leader.
  2. Phase 2 – Folgen üben: Konzentrieren Sie sich darauf, subtile Signale Ihres Partners zu empfangen und darauf zu reagieren. Entwickeln Sie Vertrauen in die Führung des anderen.
  3. Phase 3 – Wechsel meistern: Üben Sie den flexiblen Wechsel zwischen der führenden und der folgenden Rolle. Dies ist das Kernstück modernen Co-Leaderships und agiler Teamarbeit.

Die Erkenntnisse aus dem Sport sind somit keine abstrakten Metaphern, sondern konkrete Trainingsmethoden für die anspruchsvollsten Aspekte moderner Führung. Der Transfer dieser Fähigkeiten ist der entscheidende Schritt, der den Unterschied zwischen einem Hobby und einem strategischen Karriereinstrument ausmacht.

Beginnen Sie noch heute damit, Ihr sportliches Engagement nicht nur als Ausgleich, sondern als integralen Bestandteil Ihrer beruflichen Entwicklungsstrategie zu betrachten. Analysieren Sie Ihr nächstes Training, decodieren Sie die Spielzüge und übertragen Sie die Lektionen bewusst in Ihre nächste Führungssituation.

Geschrieben von Andrea Brunner, Andrea Brunner ist diplomierte Sportpsychologin FSP mit 12 Jahren Erfahrung in der Begleitung von Leistungssportlern und berufstätigen Menschen mit Burnout-Symptomatik. Sie leitet eine Praxis für Sportpsychologie in Basel und ist zertifizierte EMDR-Therapeutin für sportbezogene Traumata.