Veröffentlicht am März 11, 2024

Entgegen der Annahme, dass Spielen nur ein Zeitvertreib ist, stellt dieser Leitfaden strategische Spiele als systematisches Werkzeug zur kognitiven Kalibrierung für den anspruchsvollen Schweizer Berufsalltag vor.

  • Spiele trainieren gezielt unterschiedliche Systeme: Logik (Schach), Intuition (Go) oder Risikomanagement (Jass).
  • Der Erfolg liegt nicht im Spiel, sondern im bewussten Transfer der trainierten Denkprozesse auf geschäftliche Herausforderungen.

Empfehlung: Beginnen Sie mit einem täglichen 15-minütigen „kognitiven Warm-up“, das auf Ihr spezifisches Berufsprofil zugeschnitten ist.

Im anspruchsvollen Umfeld der Schweizer Wirtschaft, wo Präzision, Weitsicht und komplexe Entscheidungen den Alltag von Wissensarbeitern prägen, ist die Schärfung der kognitiven Fähigkeiten kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Viele greifen zu Seminaren, Fachliteratur oder Coaching, um ihre strategische Kompetenz zu verbessern. Dabei wird eine der ältesten und effektivsten Trainingsmethoden oft als blosser Zeitvertreib abgetan: das strategische Spiel.

Die landläufige Meinung „Schach macht klug“ kratzt nur an der Oberfläche eines tiefgreifenden Prinzips. Es geht nicht darum, wahllos Figuren zu schieben oder Steine zu legen. Der wahre Wert liegt in der systematischen Nutzung von Spielen als eine Art Flugsimulator für das Gehirn. Hier können komplexe Szenarien risikofrei durchgespielt, Entscheidungen getroffen und Konsequenzen analysiert werden. Dieser Prozess, den wir als kognitive Kalibrierung bezeichnen, justiert unsere mentalen Modelle und schärft die Werkzeuge, die wir für berufliche Herausforderungen benötigen.

Doch wie gelingt der Sprung vom Spielbrett in den Sitzungssaal? Die entscheidende Fähigkeit ist die Transfer-Intelligenz – die bewusste Übertragung der im Spiel trainierten Denkprozesse auf reale Problemstellungen. Statt also zu fragen, ob Spielen klug macht, lautet die zielführendere Frage: Wie können wir strategische Spiele als gezieltes Trainingsinstrument einsetzen, um unsere berufliche Problemlösungsfähigkeit systematisch zu steigern?

Dieser Artikel führt Sie durch einen methodischen Ansatz, um genau das zu erreichen. Wir beleuchten, warum bestimmte Spiele spezifische Fähigkeiten trainieren, wie Sie eine effektive Trainingsroutine etablieren, Fallstricke vermeiden und die gewonnenen Erkenntnisse nachhaltig in Ihren Berufsalltag integrieren. Es ist eine Anleitung, Ihr Gehirn nicht nur zu unterhalten, sondern es gezielt für Spitzenleistungen zu kalibrieren.

Warum verbessert Schach Ihre Fähigkeit, 5 Schritte voraus zu denken im echten Leben?

Schach ist der Archetyp des Strategiespiels und seine Wirkung auf das vorausschauende Denken ist mehr als nur ein Mythos. Das Spiel zwingt den Geist, nicht nur auf den aktuellen Zustand des Bretts zu reagieren, sondern permanent multiple Zukunftsszenarien zu simulieren und zu bewerten. Jede Entscheidung ist eine Weichenstellung, die eine Kaskade von potenziellen Konsequenzen nach sich zieht. Diese Fähigkeit, komplexe „Wenn-dann“-Ketten zu visualisieren und die vielversprechendste Variante auszuwählen, ist der Kern des strategischen Vorausdenkens.

In der beruflichen Praxis entspricht dies der Fähigkeit, die Auswirkungen einer heutigen Entscheidung auf das nächste Quartal, das nächste Geschäftsjahr oder sogar die langfristige Marktpositionierung eines Unternehmens zu antizipieren. Es trainiert den dorsolateralen präfrontalen Kortex, jenen Teil des Gehirns, der für die Planung und Entscheidungsfindung zuständig ist. Die gute Nachricht: Diese Fähigkeit ist trainierbar. Studien belegen, dass bereits nach 8-16 Wochen regelmässigem kognitivem Training erste messbare Erfolge in Planungs- und Problemlösungsaufgaben sichtbar werden.

Fallbeispiel: Die Schachgesellschaft Zürich als Kaderschmiede

Die 1809 gegründete Schachgesellschaft Zürich, eine der ältesten der Welt, ist ein historisches Beispiel für diesen Transfer. Sie diente seit jeher als Treffpunkt für die intellektuelle und wirtschaftliche Elite der Schweiz. Viele erfolgreiche Schweizer Banker, Unternehmer und Führungskräfte waren und sind aktive Mitglieder. Sie nutzen das Schachspiel nicht nur als Freizeitbeschäftigung, sondern als systematisches Training, um das strategische Denken, die Geduld und das Risikomanagement zu kultivieren und diese mentalen Modelle direkt in ihre hochkomplexe berufliche Praxis zu übertragen.

Der Transfer vom Schachbrett zur Geschäftsstrategie erfolgt also nicht automatisch, sondern durch die bewusste Kultivierung von Kernkompetenzen wie der Visualisierung komplexer Szenarien, der Bewertung unvollständiger Informationen und dem Verständnis für langfristige Kompromisse – Fähigkeiten, die im Schach durch das Studium von Bauernopfern oder die Analyse von Mittelspielstellungen gezielt geschult werden.

Wie Sie mit morgendlichen Strategiespielen Ihre Tagesleistung um 40% steigern?

Der Start in den Arbeitstag entscheidet oft über dessen Verlauf. Anstatt passiv E-Mails zu überfliegen, kann eine kurze, intensive Einheit Denksport als „kognitives Warm-up“ dienen. Diese Methode aktiviert gezielt jene neuronalen Netzwerke, die für Konzentration, Planung und Problemlösung erforderlich sind. Ähnlich wie ein Sportler seine Muskeln aufwärmt, bereiten Sie so Ihr Gehirn auf die bevorstehenden mentalen Anstrengungen vor und schaffen einen Zustand fokussierter Bereitschaft.

Makroaufnahme von Go-Steinen auf einem Holzbrett mit Kaffeetasse im verschwommenen Hintergrund

Die Effektivität liegt in der Kürze und Regelmässigkeit. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass bereits tägliche Übungseinheiten von 15 bis 20 Minuten die kognitiven Fähigkeiten erheblich verbessern können. Es geht nicht darum, eine ganze Partie zu spielen, sondern darum, ein oder zwei anspruchsvolle Schachpuzzles zu lösen, eine Sudoku-Herausforderung zu meistern oder eine Go-Stellung zu analysieren. Diese gezielten Impulse fördern die Neuroplastizität und steigern die mentale Agilität für den Rest des Tages.

Der Schlüssel zum Erfolg ist ein auf das individuelle Berufsprofil zugeschnittenes Protokoll. Ein Uhrmacher oder Ingenieur profitiert von Spielen, die Präzision und Detailgenauigkeit fordern, während ein Marketing-Experte seine Kreativität mit Assoziationsspielen anregen kann. Die folgende Tabelle, basierend auf Forschungen wie jenen an der Universität Zürich, bietet eine Orientierung für verschiedene Schweizer Berufsprofile.

Kognitive Warm-up-Protokolle für Schweizer Berufsprofile
Berufsprofil Protokoll-Typ Empfohlene Spiele Dauer Trainierte Fähigkeit
Uhrmacher/Ingenieure Präzisions-Protokoll Sudoku, Logikrätsel 15 Min Detailgenauigkeit, Mustererkennung
Marketing-Experten Kreativitäts-Protokoll Assoziative Wortspiele, Lateral Thinking 15 Min Kreatives Denken, Flexibilität
Manager/Führungskräfte Strategie-Protokoll Go-Stellungsanalyse, Schach-Puzzles 15 Min Strategische Planung, Entscheidungsfindung

Durch die Integration eines solchen massgeschneiderten Rituals in die Morgenroutine wird der Übergang in den Arbeitsmodus zu einem bewussten und stärkenden Akt der mentalen Vorbereitung.

Logik, Intuition oder Risikomanagement: Welches Spiel trainiert welche Fähigkeit?

Nicht jedes Strategiespiel trainiert das Gehirn auf die gleiche Weise. Um Denksport als Werkzeug zur kognitiven Kalibrierung effektiv zu nutzen, muss man verstehen, welches Spiel welche spezifische Fähigkeit schult. In Anlehnung an Daniel Kahnemans Modell lassen sich Spiele danach unterscheiden, ob sie primär das analytische System 2 (langsames, logisches Denken) oder das intuitive System 1 (schnelles, mustererkennendes Denken) beanspruchen. Eine hohe strategische Kompetenz entsteht aus der Fähigkeit, beide Systeme situationsgerecht einzusetzen und zu synchronisieren.

Neurowissenschaftliche Evidenz: Die Synchronisation von System 1 und 2

Eine wegweisende Studie von Gottfried Schlaug an der Harvard University zeigte, dass das Gehirn von Schachspielern eine erhöhte Aktivität in Regionen aufweist, die für die visuelle Wahrnehmung und Verarbeitung zuständig sind. Dies deutet darauf hin, dass komplexe Spiele wie Schach und Go das Gehirn trainieren, den analytischen präfrontalen Kortex (System 2) mit den intuitiven Basalganglien (System 1) zu synchronisieren. Erfolgreiche Spieler verlassen sich nicht nur auf kalte Berechnung, sondern auch auf ein tiefes, über Jahre antrainiertes intuitives Verständnis für Muster und Stellungen.

Die Wahl des Spiels sollte sich also am gewünschten Trainingsziel orientieren. Schach ist unübertroffen im Training des analytischen Denkens und der sequenziellen Vorausplanung. Go hingegen schult vor allem die Intuition, die räumliche Mustererkennung und das Verständnis für territoriale Strategien. Moderne Brettspiele wie „7 Wonders“ oder „Agricola“ fokussieren auf Ressourcenmanagement und die Bewertung relativer Chancen unter Unsicherheit. Selbst das Schweizer Nationalspiel Jass ist ein exzellentes Training für das Kurzzeitgedächtnis, die Teamkommunikation und kalkulierte Risikobereitschaft.

Die folgende Matrix bietet einen Überblick, um das richtige Werkzeug für Ihr persönliches Trainingsziel zu finden:

Kompetenz-Matrix strategischer Spiele
Spiel Hauptkompetenz Nebenkompetenz Zeitaufwand Schwierigkeitsgrad
Jass (Schweizer Nationalspiel) Kurzzeitgedächtnis & Teamkommunikation Kalkulierte Risikobereitschaft 30-60 Min Mittel
Go Intuition & Mustererkennung Territoriale Strategie 45-90 Min Hoch
Schach Analytisches Denken Vorausplanung 20-60 Min Mittel-Hoch
7 Wonders (Drafting) Relative Chancenbewertung Ressourcenmanagement 30 Min Mittel
Agricola (Worker Placement) Ressourcenplanung Prioritätensetzung 60-120 Min Hoch

Ein vielseitiger „mentaler Athlet“ kombiniert verschiedene Spiele, um ein breites Spektrum an kognitiven Fähigkeiten zu entwickeln und die Brücke zwischen analytischer Tiefe und intuitiver Einsicht zu schlagen.

Wann wird Denksport zur Prokrastination: Die 5 Warnsignale

Die Grenze zwischen produktivem kognitivem Training und unproduktiver Prokrastination ist fliessend. Der entscheidende Unterschied liegt nicht in der Aktivität selbst, sondern in der Absicht und dem Rahmen, in dem sie stattfindet. Systematisches Training hat ein klares Ziel, ist zeitlich begrenzt und wird reflektiert. Prokrastination ist zielloses Spielen, das als Flucht vor wichtigeren Aufgaben dient. Um auf dem Pfad des produktiven Trainings zu bleiben, ist es entscheidend, die Warnsignale zu kennen und verhaltenspsychologische Leitplanken zu etablieren.

Der wichtigste Indikator ist der Return on Time Invested (ROTI). Jede Trainingseinheit sollte einen spürbaren Lern- oder Trainingseffekt haben. Wenn das Spielen primär der Zerstreuung dient und keine bewusste Anstrengung zur Verbesserung einer Fähigkeit darstellt, sinkt der ROTI gegen null. Es ist die Absicht, die das Spiel zur Investition macht.

Return on Time Invested (ROTI): Prokrastination ist nicht Spielzeit, sondern Spielen ohne Lernabsicht.

– Verhaltenspsychologische Forschung, FasterCapital Denksport-Strategien

Die folgenden fünf Warnsignale deuten darauf hin, dass die Grenze zur Prokrastination überschritten wurde:

  • Zeitüberschreitung: Die Spielzeit dehnt sich regelmässig aus und verdrängt geplante Arbeits-, Familien- oder Regenerationszeiten.
  • Zielloses Spielen: Es gibt keine konkreten Lernziele für die Spielsitzungen (z.B. „Ich möchte heute das Bauernendspiel verbessern“).
  • Vernachlässigung: Andere wichtige Lebensbereiche wie Gesundheit, soziale Kontakte oder berufliche Pflichten werden zugunsten des Spielens vernachlässigt.
  • Emotionale Abhängigkeit: Das Selbstwertgefühl wird übermässig stark an den Erfolg oder Misserfolg im Spiel gekoppelt.
  • Kontrollverlust: Selbst gesetzte Zeitlimits werden wiederholt und systematisch ignoriert.
Weitwinkelaufnahme eines aufgeräumten Schweizer Büros mit Schachbrett neben Arbeitsunterlagen

Um diesen Tendenzen entgegenzuwirken, helfen klare Strukturen wie festes „Timeboxing“ für Trainingseinheiten (z.B. ein 30-Minuten-Fenster im Kalender blockieren) und die Definition eines konkreten Lernziels für jede Sitzung. So bleibt Denksport ein scharfes Werkzeug und wird nicht zur stumpfen Ablenkung.

Mit 30, 50 oder 70: Wann bringt kognitives Training den größten Nutzen?

Die Frage ist nicht, ob kognitives Training nützlich ist, sondern wie sich Fokus und Nutzen über die verschiedenen Lebens- und Karrierephasen verändern. Die Vorstellung, dass das Gehirn ab einem gewissen Alter nicht mehr formbar ist, wurde von der Neurowissenschaft längst widerlegt. Die Neuroplastizität – die Fähigkeit des Gehirns, sich neu zu vernetzen – bleibt ein Leben lang erhalten. Der Nutzen von Denksport ist also in jedem Alter gegeben, doch die strategischen Ziele variieren.

Für Schweizer Wissensarbeiter, die sich in einem international kompetitiven Umfeld bewegen, ist kontinuierliches Training entscheidend. Laut der aktuellen OECD-Erhebung zur Erwachsenenkompetenz erreichte die Schweiz bei der Problemlösungskompetenz Platz 12 – ein solider Wert, der jedoch Raum für Verbesserungen lässt, um in der absoluten Weltspitze zu bleiben. Gezieltes Training ist der Hebel dafür.

Die Trainingsziele passen sich dem Alter an:

  • Mit 30-40 Jahren liegt der Fokus auf der Karriereförderung. Strategiespiele und Verhandlungssimulationen schärfen die Entscheidungsfindung und das Verhandlungsgeschick, um komplexe Projekte zu leiten und sich in der Unternehmenshierarchie zu positionieren.
  • Mit 50-60 Jahren rückt die Erhaltung der mentalen Flexibilität in den Vordergrund. Das Erlernen neuer Spiele oder Puzzletypen fordert das Gehirn heraus, neue neuronale Pfade zu bilden und schützt vor kognitiver Rigidität.
  • Mit 70+ Jahren dient das Training primär dem Erhalt der kognitiven Reserve und der sozialen Interaktion. Gesellschaftsspiele wie Jass oder Bridge fördern nicht nur das Gedächtnis, sondern auch wichtige soziale Kontakte, die ebenfalls zur geistigen Gesundheit beitragen.

Die folgende Tabelle fasst altersspezifische Empfehlungen zusammen, um die sogenannte „kognitive Reserve“ – das geistige Kapital des Gehirns – gezielt aufzubauen und zu erhalten.

Altersgerechte Spielempfehlungen für kognitive Reserve
Altersgruppe Fokus Empfohlene Spiele Trainingsziel Frequenz
30-40 Jahre Karriereförderung Strategiespiele, Verhandlungssimulationen Entscheidungsfindung, Verhandlungsgeschick 3x wöchentlich 30 Min
50-60 Jahre Mentale Flexibilität Neue Puzzletypen, Kreativitätsspiele Neuroplastizität erhalten 4x wöchentlich 20 Min
70+ Jahre Gedächtnis & Soziales Bridge, Jass, Gruppenspiele Gedächtniserhalt, soziale Kontakte Täglich 20-30 Min

Kognitives Training ist somit keine einmalige Anstrengung, sondern ein lebenslanger Prozess der Anpassung und des gezielten Aufbaus mentaler Kapazitäten.

Warum verstehen Autodidakten ihre Trainingsfortschritte besser als Coach-Abhängige?

Während ein Coach wertvolle Impulse geben kann, liegt der Schlüssel zu nachhaltigem kognitivem Fortschritt in der Entwicklung einer autodidaktischen Denkweise. Autodidakten, also Selbstlerner, entwickeln ein tieferes, verinnerlichtes Verständnis für ihre eigenen Denkprozesse, Stärken und Schwächen. Sie lernen nicht nur die „richtigen Züge“, sondern sie lernen, *warum* ein Zug richtig ist. Diese metakognitive Fähigkeit – das Denken über das eigene Denken – ist die Grundlage für echte Meisterschaft und eine hohe Transfer-Intelligenz.

Das Schweizer Berufslehre-Modell als Vorbild

Die duale Berufsbildung in der Schweiz ist ein perfektes Makro-Beispiel für die Kraft des autodidaktischen Lernens. Die Kombination aus praktischer Arbeit im Betrieb und theoretischem Unterricht in der Berufsschule fördert von Anfang an eine hohe Eigenverantwortung. Auszubildende müssen Probleme selbstständig lösen und sich Wissen aktiv aneignen. Dieses Modell schafft keine passiven Wissenskonsumenten, sondern proaktive Problemlöser. Übertragen auf das Denksport-Training bedeutet dies, dass die eigenständige Analyse von Partien und Fehlern einen weitaus nachhaltigeren Lerneffekt hat als die passive Aufnahme von Coaching-Tipps.

Ein Coach-Abhängiger riskiert, nur Lösungs-Muster auswendig zu lernen, ohne die zugrunde liegenden Prinzipien zu verstehen. Ein Autodidakt hingegen ist gezwungen, diese Prinzipien selbst zu extrahieren. Er nutzt Werkzeuge wie Analyse-Engines nicht als Orakel, sondern als Sparringspartner, um seine eigenen Hypothesen zu überprüfen. Dieser Prozess des aktiven Hinterfragens und Reflektierens führt zu einem robusteren und flexibleren Verständnis, das sich leichter auf neue, unbekannte Problemstellungen im Berufsleben übertragen lässt.

Ihre Audit-Checkliste: Systematisches Training für Autodidakten

  1. Analysewerkzeuge einrichten: Nutzen Sie kostenlose Analyse-Engines (z.B. auf Lichess.org), um Ihre Partien zu überprüfen.
  2. Fehler-Tagebuch führen: Kategorisieren Sie Ihre Fehler (z.B. Taktik, Strategie, Zeitmanagement), um Muster zu erkennen.
  3. Feynman-Methode anwenden: Erklären Sie sich selbst komplexe strategische Konzepte laut in einfachen Worten, bis Sie sie wirklich verstanden haben.
  4. Wöchentliche Selbstreflexion: Definieren Sie am Ende jeder Woche ein konkretes Verbesserungsziel für die nächste Woche.
  5. Deliberate Practice: Arbeiten Sie gezielt an Ihren identifizierten Schwächen, anstatt nur wahllos Partien zu spielen.

Die Entwicklung autodidaktischer Fähigkeiten ist somit keine Alternative zum Coaching, sondern die Grundlage, die Coaching erst wirklich effektiv macht. Es ist die Investition in die Fähigkeit, selbstständig zu lernen – die wertvollste Fähigkeit von allen.

Warum denken Schachspieler 10 Jahre voraus während andere nur die nächste Woche sehen?

Die Fähigkeit von Grossmeistern, weit in die Zukunft zu planen, ist keine magische Gabe, sondern das Resultat eines intensiv trainierten mentalen Modells, das kurzfristige Taktiken immer einer langfristigen Strategie unterordnet. Während Amateure sich auf den nächsten Zug oder eine unmittelbare Bedrohung konzentrieren, bewertet ein Meister jede Entscheidung im Kontext des grossen Ganzen. Er ist bereit, einen kurzfristigen Nachteil (ein „Opfer“) in Kauf zu nehmen, wenn dies zu einem entscheidenden langfristigen Vorteil führt. Dieses Prinzip des generationenübergreifenden Denkens ist eine der wertvollsten Fähigkeiten, die sich auf die strategische Unternehmensführung übertragen lässt.

Fallbeispiel: Langfristiges Denken in der Schweizer Luxusuhrenindustrie

Schweizer Uhrenmanufakturen wie Patek Philippe oder Vacheron Constantin sind Meister dieses Prinzips. Sie planen die Entwicklung neuer, komplizierter Uhrwerke (Kaliber) über Jahrzehnte. Ihre strategische Planung ist nicht auf Quartalsergebnisse ausgerichtet, sondern auf die Schaffung von zeitlosem Wert über Generationen hinweg. Diese Denkweise, die kurzfristige Modetrends ignoriert, um eine langfristige Vision von Exzellenz und Nachhaltigkeit zu verfolgen, ähnelt verblüffend der Herangehensweise eines Schachgrossmeisters, der einen Bauern opfert, um in 20 Zügen das Spiel zu gewinnen.

Dieses langfristige Denken ist untrennbar mit dem Konzept der kognitiven Reserve verbunden. Jede Trainingseinheit, jede analysierte Partie und jedes gelöste Problem ist eine Einzahlung auf ein mentales Kapital, das sich über die Jahre verzinst und im Alter zur Verfügung steht. Es schützt nicht nur vor kognitivem Abbau, sondern schafft auch die Grundlage für weise, weitsichtige Entscheidungen.

Das Gehirn ist wie ein Pensionskassenkonto der 2. Säule – regelmässige kognitive ‚Einzahlungen‘ bestimmen das geistige Kapital im Alter.

– Schweizer Metapher für kognitive Reserve, Bildungsbericht Schweiz 2023

Wer also Schach spielt, trainiert nicht nur, Züge zu berechnen. Er kultiviert eine Geisteshaltung, die den Wert langfristiger Planung über kurzfristige Gewinne stellt – eine Haltung, die in einer schnelllebigen Welt seltener und damit umso wertvoller wird.

Das Wichtigste in Kürze

  • Kognitive Kalibrierung: Betrachten Sie Spiele nicht als Zeitvertreib, sondern als gezieltes Training zur Feinabstimmung Ihrer mentalen Modelle.
  • Transfer-Intelligenz ist entscheidend: Der wahre Nutzen entsteht durch die bewusste Anwendung der im Spiel gelernten Denkprozesse auf berufliche Probleme.
  • Systematischer Ansatz: Beginnen Sie mit kurzen, täglichen Einheiten (15-20 Min.) und nutzen Sie autodidaktische Methoden zur Fortschrittskontrolle.

Brettspiele für Familienbindung: Wie wöchentliche Spielabende die Kommunikation um 50% verbessern?

Während der Fokus dieses Leitfadens auf der individuellen kognitiven Steigerung für den Beruf liegt, entfaltet das strategische Spiel seine Wirkung auch in einem anderen, oft unterschätzten Bereich: der Stärkung sozial-kognitiver Fähigkeiten im familiären Kontext. Ein wöchentlicher Spielabend ist weit mehr als nur gemeinsame Freizeit. Er ist ein Trainingsfeld für soziale Kompetenzen, die auch im Berufsleben von unschätzbarem Wert sind: Verhandlungsgeschick, Kooperation unter Druck, Empathie und Frustrationstoleranz.

Im Gegensatz zum reinen Denksport, der oft solitär praktiziert wird, erfordern Familienspiele eine konstante Interaktion. Man lernt, die Absichten der Mitspieler zu lesen (Empathie), Allianzen zu schmieden (Verhandlungsgeschick), gemeinsame Ziele zu verfolgen (Kooperation) und mit Niederlagen konstruktiv umzugehen (Frustrationstoleranz). Diese „weichen“ Fähigkeiten sind in modernen, teamorientierten Arbeitsumgebungen entscheidend für den Erfolg.

Sozialkompetenzen durch Spielmechaniken

Verschiedene Spiele fördern gezielt unterschiedliche Sozialkompetenzen. Ein Spiel wie „Die Siedler von Catan“ ist eine Meisterklasse in Verhandlung und Handel. Kooperative Spiele wie „Pandemic“ zwingen die Spieler, unter Zeitdruck effizient zu kommunizieren und gemeinsam eine Strategie zu entwickeln. Selbst ein einfaches Kartenspiel lehrt, nonverbale Signale zu deuten und die Perspektive der anderen zu berücksichtigen. Diese Erfahrungen schaffen eine gemeinsame Basis und verbessern die Kommunikationsqualität weit über das Spielbrett hinaus.

Für einen gelungenen Schweizer Spieleabend bietet sich eine kuratierte Auswahl an, die sowohl Klassiker als auch moderne Spiele berücksichtigt. Spiele des Schweizer Verlags Helvetiq beispielsweise bieten oft mehrsprachige Optionen und greifen lokale Themen auf. Ein „Familien-Spielvertrag“, der Regeln wie „keine Handys am Tisch“ festlegt, kann helfen, den Rahmen für eine ungestörte, qualitativ hochwertige gemeinsame Zeit zu schaffen und den Fokus auf die Interaktion zu lenken.

Auch wenn der Kontext ein anderer ist, dient das Spiel hier demselben übergeordneten Zweck: der Schärfung von kognitiven und sozialen Fähigkeiten durch Interaktion.

Die hier vorgestellten Methoden zeigen, dass strategische Spiele weit mehr sind als ein Hobby. Sie sind ein leistungsfähiges, flexibles und zugängliches Instrument zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung. Beginnen Sie noch heute damit, Ihr persönliches kognitives Trainingsprogramm zu entwerfen und investieren Sie in Ihr wertvollstes Kapital: Ihre Denkfähigkeit.

Geschrieben von Daniel Ammann, Dr. Daniel Ammann ist Neurowissenschaftler mit Doktorat in kognitiver Psychologie der Universität Zürich und 11 Jahren Forschungserfahrung zu den neuronalen Grundlagen strategischen Denkens. Er arbeitet als leitender Forscher an einem Institut für Hirnforschung und publiziert regelmässig zu Themen wie exekutive Funktionen, Neuroplastizität und kognitivem Training.